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Interview mit dem Energiesparexperten Mario Marques de Carvalho

Das Projekt „Stromspar-Check“ der Caritas Dortmund hilft seit 2009 Menschen mit geringem Einkommen dabei, ihren Energieverbrauch zu senken. Bis heute konnten so schon 22.094 Kunden beraten und 19.721 t C02 im Jahr eingespart werden.

In unserem Interview verrät der Leiter des Stromspar-Checks, Mario Marques de Carvalho, mehr über das Projekt und gibt konkrete Tipps, wie ihr Energie sparen könnt.
 

Herr Marques de Carvalho, erzählen Sie doch mal, wie sind Sie zum Stromspar-Check gekommen?

Ich komme ursprünglich aus dem technischen Vertrieb und war lange Zeit selbstständig. Beim Stromspar-Check bin ich vor 11 Jahren gelandet. Eigentlich wollte ich eine Fortbildung zum Energieberater über das Jobcenter Dortmund machen. Die schickten mich aber zum Stromspar-Check des Caritasverbands Dortmund, der sich gerade im Aufbau befand – damals noch ein typischer Ein-Euro-Job.

Die Arbeit hat mir sofort sehr viel Spaß gemacht. Man sieht schnell Ergebnisse und merkt, dass man wirklich helfen kann. Das ist toll! Und so bin ich hiergeblieben. Ich hätte mir früher nie träumen lassen, dass ich mal bei der Caritas arbeite.
 

Was ist das Ziel des Projektes Stromspar-Check?

Der Stromspar-Check verfolgt eine Reihe unterschiedlicher Ziele, die arbeitsmarkt-, umwelt- und sozialpolitisch sehr wichtig sind.

Wir fördern ehemals langzeitarbeitslose Menschen mit und ohne Behinderung. Wir helfen ihnen, wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, indem wir sie qualifizieren – unter anderem auch in Kooperation mit der HWK Dortmund.

Das kommt dann natürlich wiederum der Kommune zugute, die dadurch Kosten sparen kann. Natürlich entlasten wir mit unserem Energieberatungsangebot nicht nur die Kommunen, sondern auch die Haushalte mit geringem Einkommen, die wir kostenlos beraten.

Nicht zuletzt trägt unsere Arbeit auch zum Klimaschutz bei. Und das kommt uns ja allen zugute! Genau diese Kombination macht den Stromspar-Check zu einer vorbildlichen Maßnahme.
 

Wer kann sich bei Ihnen beraten lassen?

Bei uns kann sich jeder beraten lassen. Für Leistungsempfänger und Menschen mit einem geringen Einkommen, das unter der Pfändungsgrenze liegt, ist unsere Beratung kostenlos. Für alle anderen Beratungen nehmen wir einen kleinen Beitrag zwischen 50 und 100 Euro.
 

Wie läuft eine Beratung ab?

Unsere Beratung besteht aus zwei Vor-Ort-Terminen. Beim ersten Termin machen wir uns ein Bild von der Ausgangssituation. Das heißt, wir schauen uns an, wie der Kunde welche Geräte benutzt. Natürlich werfen wir auch einen Blick auf die Strom-, Wasser- und Gasrechnungen.

Bei unserem zweiten Hausbesuch besprechen wir dann ganz ausführlich die Einsparpotentiale. Zusätzlich bekommt der Kunde ein Paket mit Soforthilfen von uns. Das können zum Beispiel Sparlampen, Steckdosenleisten oder Wassersparartikel im Wert von bis zu 70 € pro Haushalt sein.
 

Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere an dem Projekt?

Mit unser Arbeit helfen wir nicht nur Menschen, die wenig Geld haben. Wir leisten auch einen positiven Beitrag zum Klimaschutz und stabilisieren Menschen, die lange arbeitslos waren. Bei uns haben sie die Möglichkeit, einer Tätigkeit nachzugehen, die ganz viel Sinn stiftet. Sie tragen Verantwortung und können nun anderen Menschen, die vielleicht gerade in der gleichen Situation sind, in der sie vorher selbst waren, helfen.

Eine weitere Besonderheit ist, dass wir interkulturell beraten. Das heißt, dass wir mittlerweile Energiesparberatungen in fast jeder Sprache anbieten können. Russisch, Arabisch, Türkisch und so weiter – für unsere Leute kein Problem.
 

Wie kann ich selbst Berater beim Stromspar-Check werden?

In der Regel werden uns die Kandidaten vom Jobcenter vorgeschlagen. Man kann sich aber auch direkt bewerben. Wir prüfen dann mit dem Berater im Jobcenter, ob alle Voraussetzungen für eine Weiterbildung bei uns erfüllt sind und sprechen eine Empfehlung aus.
 

Wie läuft eine Weiterbildung bei Ihnen ab?

In der ersten Stufe machen unsere Teilnehmer eine Schulung zum Stromsparhelfer. Das sind 12 Module, die man durchläuft – quasi die Grundausbildung. Danach haben sie die Möglichkeit, eine IHK-zertifizierte Fortbildung zum Serviceberater für Energie- und Wasserspartechnik zu machen. Die Vermittlungsquote für unsere Absolventen liegt übrigens bei 24 %. Das macht uns schon sehr stolz!
 

Das heißt, nicht jeder Absolvent arbeitet auch bei Ihnen im Stromspar-Check?

Das ist richtig. In erster Linie qualifizieren wir die Menschen, die zu uns kommen. Sie haben dadurch auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen eine Anstellung zu finden.
Einige unserer Absolventen sind mittlerweile zum Beispiel Hausmeister. In so einem Job ist das Energiesparwissen ein absolutes Plus. Unternehmen können viel Geld sparen, wenn ihr Hausmeister sich mit dem Energiesparen auskennt.

Auch im Baumarkt hat man mit unserer Ausbildung deutlich bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz. Fragen Sie doch mal einen Verkäufer im Baumarkt, was der Unterschied zwischen Lumen und Lux ist. Die meisten werden das nicht wissen. Unsere Leute wissen das und können es auch erklären.
 

Was sind die häufigsten Stromfresser, die Sie in Haushalten finden?

In dieser Reihenfolge: elektrische Warmwasserbereitung, alte Kühl- und Gefriergeräte und Nachtspeicherheizungen.

Manchmal kommen wir auch in alte Wohnungen, wo noch mit Heizstrahlern geheizt wird. Das verbraucht natürlich wahnsinnig viel Strom.

Auch Aquarien und Wasserbetten können ganz schöne Kosten verursachen. Insbesondere, wenn man ein Wasserbett zum Heizen zweckentfremdet. Haben wir alles schon gesehen.
 

Gerade weil Kühl- und Gefriergeräte so ein großes Einsparpotential haben, gibt es ein besonderes Programm vom Stromspar-Check. Was genau bieten Sie an und wie funktioniert das?

Ganz genau. Unsere Stromspar-Check-Kunden haben die Möglichkeit, einen Zuschuss von maximal 300 Euro zu einem neuen Kühlgerät zu bekommen. Die Voraussetzung ist, dass wir während unserer Energiesparberatung feststellen, dass durch ein neues Gerät mindestens 200 kWh Strom im Jahr gespart werden können.

Dafür gibt es dann pauschal 100 Euro und pro im Haushalt lebender Person noch einmal 50 Euro. Allerdings maximal für vier Personen. Wichtig ist: Das neue Gerät muss eine Energiesparklasse von mindestens A+++ haben und das Altgerät darf nicht weiterverschenkt oder -verkauft werden. Es muss fachgerecht entsorgt werden. Darüber brauchen wir dann auch einen Nachweis.
 

Was ist der simpelste Stromspartrick, den aber fast niemand anwendet?

Den größten Hebel hat man meist bei der Warmwasserbereitung. Wenn man ein Untertischgerät nutzt, kann man zum Beispiel eine Zeitschaltuhr oder einen Thermostopp dazwischenschalten.

Kommt das warme Wasser zum Duschen etc. aus dem Durchlauferhitzer, kann ich im Sommer unter anderem die Stufen reduzieren. Die meisten Durchlauferhitzer haben dafür eine Einstellungsmöglichkeit.

Ganz wichtig auch: Wasser aus beim Einseifen! So ein Durchlauferhitzer hat in der Regel eine Leistung um die 24.000 Watt. Das heißt, bei einem Strompreis von 30 Cent kostet mich die Minute ca. 12 Cent. Jeden Tag acht Minuten duschen macht im Jahr also um die 350 Euro.

Bei einer vierköpfigen Familie sind das schnell 1.400 Euro nur fürs Duschen! Wenn jeder in der Familie es schafft, zwei Minuten zu sparen, sind das rund 350 Euro pro Jahr, die ich sparen kann.
Davon abgesehen sind es oft die vielen kleinen Dinge, die zusammen einen großen Effekt bringen. Das sind mal zwanzig Euro hier, mal zwanzig Euro da. Ein Kunde von uns konnte zum Beispiel 35 Prozent seines Stromverbrauchs allein dadurch einsparen, dass er den Kühlschrank weiter von der Wand weggezogen hat. Die Einsparpotentiale sind teilweise sehr individuell. Deshalb macht es Sinn, sich beraten zu lassen.
 

Was ist aus Ihrer Sicht die größte Hürde beim Stromsparen?

Viele Menschen verbinden Energiesparen immer noch mit Komfortverlust. Das ist aber nicht so. Es ist heutzutage absolut möglich, Energie zu sparen, ohne auf etwas verzichten zu müssen. Wir müssen unsere Einstellung zum Energiesparen ändern!

Wenn ich mir zum Beispiel die richtige LED-Leuchte kaufe, habe ich das gleiche Licht wie vorher. Und mittlerweile ist das auch erschwinglich. Das Internet bietet uns so viele Möglichkeiten. Auf Vergleichsportalen kann ich Geräte ausführlich vergleichen und häufig günstig ersetzen.

Eine einmalige Investition lohnt sich oft sehr schnell. Das sollte man einfach mal durchrechnen.
 

Was ist die erste Frage, die Sie Menschen stellen, die zu Ihnen in die Beratung kommen?

Verkaufen Sie Energieverträge? *lacht* Nein, das tun wir nicht! Wir beraten absolut neutral.
 

Was könnten Energieversorger tun, um Menschen den nachhaltigeren Umgang mit Energie zu erleichtern?

Visualisieren! Energie ist für die meisten Kunden einfach nicht greifbar. Der Stromverbrauch sollte zum Beispiel stärker in Euro statt kWh kommuniziert werden. Das macht es einfach verständlicher. Was kostet mich dieses Gerät oder dieses Verhalten tatsächlich?

In unserer täglichen Arbeit beim Stromspar-Check machen wir genau das: den Energieverbrauch des Kunden sichtbar. Denn wenn ich weiß, wo ich ansetzen muss, fällt es mir auch leichter, Strom zu sparen. Und das kommt ja letztendlich nicht nur mir, sondern auch der Umwelt zugute.
 

In welche Richtung wird sich das Projekt weiterentwickeln?

Wir wollen in Zukunft auch zum Thema Nachhaltigkeit beraten. Also konkret zu Plastikvermeidung und Mülltrennung. Dazu arbeiten wir gerade an einem Konzept.
 

Was ist Ihr Wunsch für die Zukunft bezogen auf das Projekt und das Thema Energiesparen?

Eine langfristige Finanzierung wäre toll! Wir haben aktuell dreißig Mitarbeiter auf Zwei-Euro-Job-Basis plus zwanzig Festangestellte und arbeiten auf Projektbasis. Wenn sich der Energiesparservice auf lange Sicht etablieren könnte, würde uns das allen ein Stückchen mehr Sicherheit geben.
 

Vielen Dank! Jetzt haben wir noch einige Fragen unserer Kunden:
 
Unser Kunde Frank U. fragt: „Ich habe keine Geräte ausgetauscht und auch sonst nicht das Gefühl, dass ich mein Verhalten stark geändert habe. Trotzdem ist mein Stromverbrauch durch den Wechsel zur EnergieRevolte merklich gesunken. Wie kann das sein?“

Das liegt wahrscheinlich daran, dass er sein Verhalten eben doch verändert hat, aber unterbewusst. Wenn man sich jeden Tag intensiv mit seinem Stromverbrauch auseinandersetzt, passiert das einfach. In eurer App kann man seinen täglichen Verbrauch ja sehen. Dann kommt man nicht drumherum sich zu fragen: „Warum habe ich heute mehr verbraucht als gestern?“ oder „Wie kann ich noch ein bisschen weniger verbrauchen?“ Und genau so spart man: indem man sich mit dem Thema befasst.
 

Unser Kunde Roger M. fragt: „Was haben Sie als Erstes geändert, als Sie mit dem Energiesparen angefangen haben? Und: Ist Kochen mit Gas günstiger als mit Strom?“

Als erstes habe ich tatsächlich meinen Kühlschrank ausgetauscht. Dann habe ich meine alten Geräte nach und nach durch sparsamere ersetzt. Ich habe mittlerweile mehr Geräte als vor zehn Jahren, aber meinen Stromverbrauch habe ich trotzdem halbiert!

Kochen mit Gas ist günstiger als mit Strom, weil Gas preislich günstiger ist. Aber für die Umwelt ist das Kochen mit Strom auf jeden Fall besser, weil es bis zu 15 % weniger Energie verbraucht. Ein Elektroherd ist also auf jeden Fall die nachhaltigere Alternative.
 

Herzlichen Dank für das ausführliche Interview!

 

Autorenkasten: Mario Marques de Carvalho ist Leiter des Dortmunder Stromsparchecks der Caritas. Mit seinem 50-köpfigen Team hat der 52-jährige bereits 150.000 Dortmunder Haushalte beraten. Seine Kunden konnten dabei unter anderem bis zu 19 Prozent ihres jährlichen Stromverbrauchs einsparen.

Mehr über den Dortmunder Stromspar-Check erfahrt ihr unter:
 
http://caritasdortmund.de/beratung-berufliche-eingliederung/beratung-unterstuetzung/energiesparservice/energiesparservice/

 
Den Stromspar-Check gibt es nicht nur in Dortmund, sondern insgesamt in 150 Städten.
 
Eine Übersicht über alle Angebote findet ihr hier:
 
https://www.stromspar-check.de/standorte/standorte-karte.html

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